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Agilität
January 31, 2021

Pokern erwünscht

Kürzlich wurde ich bei einem Vortrag gefragt, wie man am besten Verantwortung an Mitarbeiter übergibt. Im Rahmen der agilen Transformation eigentlich eine sehr naheliegende Frage.  

Im agilen Manifest beinhaltet das folgende Prinzip die Aufforderung, Verantwortung von den Führungskräften an Mitarbeiter und Teams zu übergeben:

Build projects around motivated individuals. Give them the environment and support they need, and trust them to get the job done.“

Die Führungskräfte werden dabei in die Pflicht genommen Freiräume zu schaffen und ihre Mitarbeiter zu unterstützen, ihnen Verantwortung zu übergeben und auf sie zu vertrauen.
Doch in der Praxis ist dies mitunter leichter gesagt als in die Tat umgesetzt.

Wo liegt das Problem?

Als agiler Coach konnte ich in der Vergangenheit mehrfach beobachten, dass diese zunächst einfach erscheinende Forderung sowohl bei Führungskräften, als auch bei Mitarbeitern auf Skepsis, wenn nicht sogar Ablehnung stieß.

Seitens der Führungskräfte war (noch) nicht ausreichend Vertrauen in die Mitarbeiter da. Was meist nicht an persönlichen Eigenschaften der Mitarbeiter lag, sondern an Fragen wie

  • Haben meine Mitarbeiter alle notwendigen Informationen?
  • Sind meine Mitarbeiter bereit die Verantwortung für die Entscheidung zu übernehmen?
  • Was passiert bei unvermeidlichen Fehlentscheidungen?

Auf der Teamseite fanden sich häufig die ganz ähnliche Bedenken und das gleiche Unwohlsein.

Letztendlich blieb es dann oftmals beim Status Quo oder bei Entscheidungen, die Mitarbeiter erst nach Rücksprache mit ihren Vorgesetztengetroffen hatten.

Eine Lösungsmöglichkeit aus dem Management 3.0 Toolkit

Wie schafft man es trotz dieser Schwierigkeiten die Verantwortung an die Mitarbeiter zu übertragen, so dass alle Seiten mit einem guten Gefühl diese Veränderung annehmen können?

Der Delegation Poker aus dem Management 3.0 Toolkit von Jurgen Appello kann hier für eine schrittweise Delegation der Verantwortung eingesetzt werden.

Appello hat sieben Delegationslevel aus Sicht der Führungskraft definiert, die sich zwischen den beiden Extremen „Ich sage was gemacht wird. Keine Diskussion zuvor oder danach!“ bis hin zu„Ich delegiere die Entscheidung komplett und brauche auch nicht dazu befragt werden!“ liegen.

Diese Aufsplittung ermöglicht eine Verantwortungsübergabe auch in kleinen Schritten. Niemand muss ins kalte Wasser springen, alle Beteiligten durchlaufen gemeinsam einen Prozess in dem sie Erfahrung und (Selbst-)Vertrauen aufbauen.

Das Vorgehen

Auf dem sog. Delegation Board werden Themen und Situationen festgehalten, bei denen sich Mitarbeiter undTeams eine klare Vorgabe bzgl. der Entscheidungsdelegation wünschen. In einem gemeinsamen Workshop wird dann mit Hilfe des Delegation Poker die eigentlicheVereinbarung über die Entscheidungsbefugnis getroffen.

Hierfür erhält jeder Teilnehmer einen Satz Spielkarten, auf dem die sieben Delegationslevel visualisiert sind. Der Workshop-Moderator leitet durch die Themen/Situationen des Delegation Boards. Bei jedem Thema fordert der Moderator die Teilnehmer auf die Karte mit dem von ihnen für adäquat angesehenen Delegationslevel verdeckt vor sich auf den Tisch zu legen. Auf ein Signal des Moderators hin drehen alle ihre Karten gemeinsam um.

Sofern nicht alle Teilnehmer die gleiche Karte gewählt haben, beginnt der spannendste Teil: die Diskussion der unterschiedlichen Delegationslevel, sowie das „Aushandeln“ des Delegationslevels, auf den sich alle Beteiligten einigen können.

 Mit Hilfe dieses Verfahren entsteht Schritt für Schritt eine Matrix, die transparent macht wer welche Entscheidung in welchem Maße trifft.

Iteratives Vorgehen

In regelmäßigen Abständen sollte die entstandene Delegationsmatrix überprüft und aktualisiert werden. So kann Stück für Stück dieVerantwortung von der Führungskraft an die Mitarbeiter übergeben werden.

Gerade dann, wenn bei einem Thema die Delegation „ins Stocken“ gerät oder sogar zurück geht, sollte unbedingt genauer betrachtet werden welche Hindernisse den nächsten Schritt versperren und wie diese aufgelöst werden können. 

Sanfte Übergabe statt Sprung ins kalte Wasser

Mit Hilfe von Delegation Poker & Delegation Matrix kann eine sanftes Empowerment der Mitarbeiter erfolgen, das den Reifegrad von Mitarbeitern, Führung und Organisation mit in Betracht zieht. Aus meiner Sicht ein deutlich nachhaltigerer und Erfolg versprechender Weg, als die komplette Übergabe von einem Tag auf den anderen, die häufig alle Beteiligten überfordert.

Weiterführende Informationen

Mehr zu den beschriebenen Methoden kann man auf der Webseite von Management 3.0 nachlesen.

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